Pflanzenkraft:
Die magische Mistel

Aus den winterkahlen Bäumen leuchtet eine der Kälte trotzende, hellgrüne Pflanze, die sich zudem gerade in dieser tristen Zeit mit ihren weißen Perlen schmückt: die Mistel. Sie lebt ohne eine Verbindung zur Erde auf einer anderen Pflanze – und muss somit ein göttliches Zeichen sein, schlussfolgerte man in früherer Zeit. Die Germanen und Kelten glaubten, dass die Götter die Mistelsamen in die Bäume streuten, sie also ein Geschenk des Himmels wären.

So wurde die Mistel in germanischen und keltischen Gebieten zur Wintersonnenwende ins Haus geholt und galt – wie auch Tanne und Stechpalme – als Symbol für die Hoffnung auf den Frühling und die erwachende Natur, als Zeichen ewiger Lebenskraft und Fruchtbarkeitsbringer. Als Weihnachtssymbol ins Haus geholt, soll sie Böses fernhalten und Glück bescheren und ist ein Friedenssymbol. Der nicht abzulehnende Kuss unter der Mistel ist ein überlieferter altgermanischer Brauch.

Die Mistel findet auch bereits seit dem Altertum Verwendung als Heilpflanze und wurde für die Behandlung verschiedener Beschwerden eingesetzt. Bei den keltischen Druiden, den gallischen Priestern, war die Mistel zudem ein magisches Zeichen immerwährenden Lebens und dadurch auch Bestandteil kultischer Handlungen. Der römische Schriftsteller Plinius (23-79 n. Chr.) beschreibt, wie die Druiden in Eichenhainen nach der seltenen Eichenmistel suchten, die ihnen heilig war und welche dann sechs Tage nach dem Winterneumond in einer feierlichen Zeremonie ausschließlich mit einer goldenen Sichel vom Baum geschnitten wurde. Die Mistel durfte als Geschenk des Himmels niemals die Erde berühren, sonst würde sie ihre Zauberkraft verlieren. Sie wurde mit einem weißen Tuch aufgefangen und zwei weiße Stiere wurden geopfert, um den Segen der Gottheit zu erlangen, die vermutlich im Eichenhain als Heiligtum verehrt wurde. Der Zaubertrank, der aus der Mistel gebraut wurde, sollte alle unfruchtbaren Tiere fruchtbar machen und gleichzeitig als Heilmittel gegen alle Gifte wirken. Man nannte die Mistel damals die „Alles Heilende“.